Die alljährliche Herbstexkursion des Freundschaftskreises führte in diesem Jahr 32 Mitglieder des Vereins ins nördliche Frankreich, nach Amiens, der Hauptstadt der Picardie.
Die sympathische Stadt mit ihren etwa 140.000 Einwohnern ist in erster Linie wegen ihrer riesigen gotischen Kathedrale berühmt, deren Ausmaße doppelt so groß wie Notre Dame de Paris sind. In den Sommermonaten und bis in den September hinein findet jeden Abend bei Anbruch der Dunkelheit ein „son et lumière“ Spektakel statt, eine mit Musik untermalte Lichtschau, die die gesamte Westfassade in brillante, sich ständig neu bewegende Farbenspiele taucht. Aber auch tagsüber ist der Blick des Innenraums durch das helle zentrale Kirchenschiff von überwältigender Schönheit. Dass die Bauzeit des Gebäudes kaum 50 Jahre (1220 – 1269) betrug, verleiht dem Ganzen eine harmonische Einheit, die mancher anderen gotischen Kathedrale fehlt; man denke nur an den Kölner Dom, der circa 600 Jahre bis zur Fertigstellung 1880 benötigte!
Vom Vorplatz der Kathedrale aus startet auch das „Bimmelbähnchen“, der „Jules Verne Express“, auf seiner mit Elektroantrieb ausgestatteten, bis 10 km langen Fahrt um Amiens herum, die dem Besucher einen detaillierten Überblick der Stadt auf bequeme und unterhaltsame Weise vermittelt.
Die Bausubstanz Amiens hat in den beiden Weltkriegen mit Ausnahme der Kathedrale stark gelitten, aber man hat es vorgezogen, eher im historischen Stil wieder aufzubauen, als in moderne experimentelle Architektur zu investieren. Eine Ausnahme bildet der 1952 eröffnete Tour Perret, ein 104 m hoher „Wolkenkratzer“ von 29 Stockwerken, nach seinem Architekt Auguste Perret (1874 – 1954) benannt. Wenige Schritte vom Fuß des Turms entfernt bezog der Freundschaftskreis im komfortablen Hotel Ibis Styles Quartier und konnte damit einen Großteil der Sehenswürdigkeiten Amiens fußläufig erreichen.
Eine solche Sehenswürdigkeit ist sicherlich das nur einige hundert Meter entfernte Haus Jules Vernes. Der berühmte Schriftsteller, Autor zahlreicher Abenteuer- und Science-Fiction Romane („20.000 Meilen unter das Meer“,“ In 80 Tagen um die Welt“ usw.), ist zwar in Nantes nahe der Loire-Mündung geboren, hat aber von 1869 bis zu seinem Tod 1905 in Amiens gelebt, wo er auch 16 Jahre lang dem Stadtrat angehörte. Sein gutbürgerliches Haus mit dem Turm enthält eine Fülle Dokumente und persönliche Gegenstände, wie zum Beispiel ein Modell des „Nautilus“ oder mehrere Miniatur-Theater auf dem Dachboden. Auf der Außenmauer des Eingangshofes befindet sich ein großes Fresko, das die Lieblingshelden des Schriftstellers abbildet.
Ein letzter aber besonders reizvoller Höhepunkt der Reise war die „schwimmenden Gärten“ Amiens, die sogenannten „Hortillonnages“, die man in kleinen flachen Elektrobooten besichtigt. Schon in galloromanischen Zeiten, d.h. vor über 2.000 Jahren, hat man kleine Seitenkanäle der Flüsse Somme und Arve ausgehoben, um bewässerte Gartenparzellen zu gewinnen, wo Obst und vor allem Gemüse für die Versorgung der Stadt angepflanzt wurden. Auch heute werden diese privaten Parzellen von einer Generation auf die nächste weitervererbt, obwohl die meisten davon heute eher den Charakter von Schrebergärten mit Lauben, Blumen und Kinderspielgeräten besitzen, als dass sie für rein landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Die lautlose Fahrt bei mildem Sonnenschein durch diesen Wasserlabyrinth war ein idyllisches Erlebnis, das allen Teilnehmern sicherlich lange in Erinnerung bleiben wird.
Am Morgen danach mussten die Koffer gepackt werden, um die Rückreise anzutreten, die bei immer noch strahlendem Sonnenschein komplikationslos verlief. Pünktlich um 16.00 Uhr war Vallendar erreicht, aber Wehmut über das Ende der Fahrt kam nicht auf: nächsten Herbst geht’s nach Paris!